„Geschäfte waren uns wichtiger als Menschen- und Völkerrechte!“ Agnieszka Brugger MdB zu Gast im Emmendinger Kreisverband der Grünen

Agnieszka Brugger MdB, Buendnis 90/Die Gruenen Bundestagsfraktion

Ganz kurzfristig hatte sie zugesagt: Agnieszka Brugger, Sicherheits- und Verteidigungsexpertin im Bundestag und stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, nahm sich am Freitag, den 18.03. die Zeit, in einer digitalen Gesprächsrunde zum Krieg in der Ukraine Rede und Antwort zu stehen. Dabei berichtete sie nicht nur eindrücklich von der aktuellen Situation in der Ukraine und den Bemühungen der Bundesregierung, sondern ordnete auch die Bedeutung dieses Krieges für Deutschland und Europa ein. Mit im Gespräch war neben vielen Interessierten aus ganz Südbaden auch der grüne Landtagsabgeordnete Alexander Schoch; moderiert hat Rüdiger Tonojan vom Kreisvorstand.
Brugger betonte, es sei nichts unversucht geblieben, diesen brutalen Angriff Putins auf die Menschen in der Ukraine zu verhindern und Konflikte am Verhandlungstisch zu lösen.Putin habe aber offenbar seine Pläne schon lange vorangetrieben. Selbst engste Vertraute des russischen Präsidenten, darunter Angehörige höchster militärischer Ränge, seien offenbar nicht in seine wahren Absichten eingeweiht gewesen. Trotz der derzeitigen Verhandlungen fehle gegenwärtig das gegenseitige Vertrauen, die Unberechenbarkeit Putins gebe zur berechtigten Sorge Anlass, dass es zu weiteren Eskalationen komme.
Kritisch gab Brugger zu, man habe sich offensichtlich täuschen lassen und sich durch enge wirtschaftliche Verknüpfungen zu Russland in Sicherheit gewähnt. Daher gelte es nun, mit Hochdruck, aber auch in Feinabstimmung, an der Unabhängigkeit v.a. von russischer Kohle, Öl und Gas zu arbeiten und die Energiewende hin zu einer dezentralen, regenerativen Versorgung zu forcieren. Rund um die Uhr arbeiteten Bundesregierung und Europäische Union daran, die bereits bestehenden Sanktionen gegenüber Russland noch wirkungsvoller zu gestalten und mögliche Lücken zu schließen. Dabei sei die breite internationale Akzeptanz von Maßnahmen mit dem Ziel, Russland politisch und wirtschaftlich zu isolieren, beeindruckend. Dem ukrainischen Volk gelte es, uneingeschränkt Solidarität zu zeigen und Flüchtende mit offenen Armen unbürokratisch aufzunehmen.
Gefragtes Thema war der 100-Milliarden-Sonderetat, den Bundeskanzler Scholz für die Bundeswehr angekündigt hat, der besonders unter den Grünen als pazifistischer Partei kontrovers diskutiert wird. Agnieszka Brugger versicherte, dass man sich für einen verantwortungsvollen Einsatz dieser Mittel starkmache, was bedeute, nicht nur in eine gut ausgestattete Ausrüstung der Bundeswehr, sondern auch in den Zivilschutz, Entwicklungshilfe, Energiesouveränität und Verteidigung gegen Desinformation und Cyberattacken zu investieren.
Anschließend wurde noch lange sehr nachdenklich und engagiert diskutiert, wobei das gerade Gehörte spürbar nachwirkte. Man war sich einig, wie sehr die Welt durch diesen größten Krieg in Europa seit 1945 ins Wanken geraten sei, tue sich aber mit Aufrüstung und Waffenexporte in Kriegsgebiete schwer und fühle sich als Friedenspartei in einem Gewissenskonflikt. Es bleibe zu hoffen, dass letztlich nicht Resignation überwiegt, sondern der Slogan „Frieden schaffen ohne Waffen“ nicht ausgedient habe, sondern als kritisches Korrektiv weiter zu hören bleibe; Rüdiger Tonojan betonte, wie wichtig es in der aktuellen Situation sei, in Europa zusammenzustehen und auch im Bezug auf die Verteilung von Flüchtenden tragfähige Konzepte zu entwickeln.
Dem abschließenden Appell v.a. an die Grünen, sich auch gerade in diesen schwierigen Zeiten auf ihre Werte und Ziele zu besinnen, für die umgehende Energiewende und ein kritisches Hinterfragen unseres Lebensstils noch mutiger einzutreten und damit persönliche Einschränkungen, Verzicht und einen neuen Wohlstandsbegriff als unverzichtbar für unsere Zukunft klar zu benennen, konnten alle nur zustimmen.