02.10.2024 – Diskussionsrunde mit Marcel Emmerich (MdB): lebhafter Austausch mit kulinarischem Ende 16. Oktober 202416. Oktober 2024 Am vergangenen Mittwoch, den 2. Oktober, war der Ulmer Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich zu Besuch im Kreis Emmendingen. Der Kreisverband der Grünen hatte den Innenpolitiker zu einer Diskussionsrunde zum Thema „Migration und Asylrecht“ eingeladen, der zahlreiche Teilnehmer*innen gefolgt waren; das Emmendinger Büro der Grünen waren bis auf den letzten Platz besetzt. Kreisvorstand Rüdiger Tonojan leitete die Diskussion und bemerkte, dass „die Empathie in der politischen Debatte vollkommen verloren gegangen“ sei. Als aktiver Politiker im Kreis Emmendingen könne er sich sehr gut erinnern, wie noch im April 2022, als der Überfallskrieg Putins auf die Ukraine die Zahlen der Schutz suchenden Menschen stark ansteigen ließ, die Kreisverwaltung auf seine Anfrage hin sehr klar kommunizierte, dass man Lehren aus 2015 gezogen habe und sich gut vorbereitet fühle. Für ihn sei es irritierend, wie selbstverständlich inzwischen die Aussage hingenommen werde, dass alle Kommunen überfordert seien. Er sehe zwar durchaus große Herausforderungen, diese könne man aber beherrschen. Statt hier nun immer stärker nach Asylrechtsverschärfungen zu rufen, müsse man sich wieder darauf besinnen, die Integration von Migrant*innen zu fördern, zum Beispiel durch Bürokratieabbau, schnellere Verfahren, bessere Bildung und einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt. „Man merkt, dass Merz keine Regierungserfahrung hat!“ Marcel Emmerich pflichtete ihm bei. Ihn wundere es, dass seit der Terrortat von Solingen die eigentliche Sicherheitsdebatte kaum geführt werde, sondern maßgeblich von Friedrich Merz eine Flüchtlingsdebatte geprägt worden sei. Er attackierte die Union scharf für ihre kommunizierte Strategie der Ausrufung der Notlage, um Europarecht außer Kraft setzen und dann die Grenzen dichtmachen zu können: „Man stelle sich vor – dazu müssten auf der Innenministerkonferenz die Minister zu der Aussage kommen: Wir sind wegen der Flüchtlinge nicht mehr in der Lage, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten.“ Es sei leicht zu erkennen, dass dies, bei allen vorhandenen Problemen, eine vollkommene Übertreibung sei. „Man merkt, dass Friedrich Merz keine Regierungserfahrung hat.“ Dies sehe man an solchen Forderungen, die in der Realität nicht umgesetzt werden könnten. Wenn man die Schließung der Grenzen für Asylsuchende „konsequent zu Ende denkt, dann muss man eine Mauer mit Stacheldraht bauen. Und das auf 4000 Kilometer.“ Und leider sehe man beispielsweise an Herrn Spahn, dass die Verschärfung der Diskussion in der CDU noch weitergehe, wenn dieser Gewaltanwendung der Polizei an den Grenzen ins Spiel bringe. Scholz lässt den Mut vermissen sich auch einmal in den Wind zu stellen Im Bundestag sehe Emmerich, wie die Debattenbeiträge der Union immer weniger differenziert und in der Tonlage schriller, ja menschenfeindlicher werden. „Es gab immer Teile der Union, die ausgewogen und an der Sache orientiert debattierten, doch diese Personen treten kaum mehr in Erscheinung oder sie reden jetzt anders.“ Manchmal denke er an die Zeit mit Merkel, die in solchen Momenten den Mut hatte, „sich in den Wind zu stellen und Haltung zu zeigen.“ Dies vermisse er bei Olaf Scholz, der Friedrich Merz die Bühne komplett überlassen habe. Er sehe auch eine Diskrepanz zwischen diesen Forderungen und den Wünschen der Wirtschaft: „Wenn ich mit Vertretern der Wirtschaft diskutiere, höre ich von denen immer wieder, dass diese Debatte uns allen schadet und die notwendige Zuwanderung von Arbeitskräften verhindere.“ Nicht nur Verschärfungen: „Wichtige Impulse konnten gesetzt werden“ Insgesamt sehe er die Ampelregierung mit den beschlossenen Maßnahmenpaket zur Sicherheit gut aufgestellt: Die Finanzströme würden nun besser überwacht werden können, das Waffenrecht sei verschärft worden, die Befugnisse der Polizei würden erhöht werden – auch wenn hier noch nicht alles klar sei, diene all dies der Sicherheit. Zudem werde erneut das Asylrecht verschärft und Leistungen gekürzt – hier hätten sich die Koalitionspartner durchgesetzt. Und er betonte, dass es in den Jahren seit 2015 ausschließlich Verschärfungen im Asylrecht gegeben habe. Dennoch konnten wichtige Impulse gesetzt werden: so gebe es das Chancenaufenthaltsrecht, das Gesetz zum Spurwechsel und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Hier habe die Ampel Wichtiges geschaffen, um Menschen eine Perspektive zu geben und auch so mehr Sicherheit zu schaffen. Er wundere sich oftmals, dass derzeit gerade von denjenigen immer wieder über eine Arbeitspflicht von Flüchtlingen gesprochen werde, die zuvor ein Arbeitsverbot gefordert hatten. In der anschließenden, sehr angeregten Diskussion mit den Teilnehmer*innen pflichtete ihm diesbezüglich ein Teilnehmer stark bei, der Berufserfahrung in der Flüchtlingsarbeit mitbrachte. „Das Schlimmste, was man sicherheitstechnisch machen könne, sei „die Menschen in den Unterkünften einfach sich selbst zu überlassen. Die Perspektive unklar, keine Berührungspunkte zur Bevölkerung und keine Aufgabe. Seiner Erfahrung nach sei das Wichtigste für die Menschen eine Perspektive zu bekommen, um ein Ziel zu haben und zu verfolgen. Dann gelinge Integration für uns alle gut.“ Gut zu spüren war in der Diskussion, wie wichtig es den Mitgliedern der Grünen ist, wieder aktiv die Debatte zu gestalten und nicht, wie zuletzt geschehen, in die Defensive zu geraten. Marcel Emmerich rief dazu auf aktiv die „Vielfaltsgesellschaft offensiv zu verteidigen“ und „Erfolgsgeschichten mehr zu kommunizieren.“ Vor Ort könne man am besten helfen, indem man Migrant*innen und Helferkreise besuche, den Austausch suche und so auchpositive Impulse in die Gesellschaft trage. Susanne Floss, Bundestagskandidatin der Grünen im Wahlkreis Emmendingen-Lahr, konstatierte: „Wir Grüne bemühen uns, redlich, differenziert und lösungsorientiert zu debattieren, aber die Anderen machen nicht mehr mit!“ Es brauche ein zuversichtlicheres Narrativ, viele Grüne seien verunsichert. Emmerich wies auf den Kern dieser Verunsicherung hin, die soziale Sicherheit. Zudem merkten die Menschen, „dass viele Dinge nicht mehr gut funktionierten.“ Von der Bahn angefangen, über die Gesundheitsversorgung bis hin zur Infrastruktur. Hier müsse mehr passieren, doch letztlich müsse dafür auch Geld ausgegeben werden. Viel zu früh endete dann die Debatte, die jedoch dann überging in ein geselliges und diskussionsfreudiges Beisammensein mit der Veranstaltung „Politik und Pizza“ der Grünen Jugend im Kreis Emmendingen mit Marcel Emmerich.