Haushaltsrede Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Fraktionssprecher Christian Schuldt vor Rathausfenster nach der Haushaltsrede
Fraktionssprecher Christian Schuldt

Haushaltsrede Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schlatterer,
Sehr geehrte Fachbereichsleiterinnen und – Leiter,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates,
Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
Sehr geehrte Damen und Herren,
(Es gilt das gesprochene Wort)

Seit 2022 ist wieder Krieg in Europa. Und 2023 brachte hier nicht die viel erhoffte Wende sondern das Unvorstellbare: Das Pogrom der Hamas Terroristen, das Leid der Geiseln und der Zivilbevölkerung im Gaza Streifen, die Welle des Antisemitismus in Deutschland und weltweit.

Wir Menschen im fernen Emmendingen können froh sein, nicht direkt in die, mit Schicksalen und Leid befrachteten, Kriege einbezogen zu sein. Wir erfahren von den Auseinander­setzungen aber nicht nur aus den Medien, sondern sehen gleichfalls die zunehmende Zahl an Geflüchteten, welche ebenfalls in Emmendingen stranden. Hier gilt unser großer Dank an die Stadtverwaltung und Rät*innen, dass die notwendigen Maßnahmen zur Aufnahme der Flüchtlinge ohne große Diskussionen umgesetzt werden können – obwohl diese dennoch Löcher in den Haushalt reißen und beim kommunalen Gestaltungsrahmen fehlen.

Denn dieser Gestaltungsrahmen wird noch von anderer Seite stark bedrängt: Das ist der Klimawandel, der glücklicherweise in Emmendingen nicht mehr in Frage gestellt wird. Klimawandelanpassungsmaßnahmen stehen daher oft im Vordergrund von Gestaltungs­maßnahmen. Sie sollten jedoch die viel wichtigeren Klimaschutzmaßnahmen nicht verdecken.

Vom Weltgeschehen zum Stadtgeschehen…

Auch Emmendingen ist eine Stadt, die sich dem Wandel der Zeit anpassen und sich entwickeln muss.

Einen Haushalt angesichts der Gefahr einer wirtschaftlichen Rezession zu verabschieden, ist aufgrund vieler Unwägbarkeiten und Risiken eine Mammutaufgabe.

Wir Grünen stellen uns hier die Fragen, wo sind die Grenzen des Wachstums bei einer Stadt mit 30.000 Einwohner*innen, im Hinblick

  • auf die Infrastruktur,
  • den Flächenverbrauch zu Lasten der Landwirtschaft,
  • die für das Stadtklima notwendigen Kaltluftschneisen

um nur ein paar Beispiele zu nennen

Deshalb möchte die Grüne Fraktion daheim die Hausaufgaben machen und schauen, was im städtischen Haushalt entbehrlich ist und Raum für sinnvollere Maßnahmen schafft. Hierzu haben wir für 2024 Anträge zur Streichung in Höhe von ca. ½ Mill im Finanzhaushalt gestellt, welche bedauerlicherweise von der Verwaltung nicht ernst genommen wurden und in der Folge vom Stadtrat abgelehnt wurden.

In der nun zu Ende gehenden Amtsperiode wurde, aus unserer Sicht, oft Geld für nicht zwingend notwendige Dinge ausgegeben, das wir Grüne lieber bei unseren Pflichtaufgaben investiert hätten, z. B. mehr Sanierungen von Schulen und beim Klimaschutz. Ein Beispiel hierfür ist die, aus unserer Sicht ,überflüssige Aufstockung der Tiefgarage „Steinstraße“ für über 1 Million €, die einen neuen Hitzehotspot geschaffen hat – und wo es nun Ärger mit dem Straßenbelag gibt, der vermutlich mit weiteren Kosten verbunden sein wird.

Was lange währt, wird endlich gut – in diesem Sinne hat sich die Grüne Fraktion über die Umsetzung des Grünen Haushaltsanträgszum Bau von Trinkwasserbrunnen in der Innenstadt gefreut.

Sehr erfreulich ist ebenfalls die Einführung von Tempo 30 entlang der Wiesen- und Kollmarsreuter Straße, was im Verkehr für deutliche Entspannung sorgt. Schon seit vielen Jahren  fordern die Emmendinger Grünen Tempo 30 für Wohngebiete. Das wurde zunächst belächelt, bekämpft und sogar für unmöglich erklärt. Inzwischen ist es parteiübergreifender Konsens, dass Tempo 30 die Aufenthaltsqualität in Wohngebieten steigert.

Solche Beispiele zeigen besonders, dass grüne Politik immer noch langen Atem braucht. Aber gerade solche Erfolgsbeispiele können für engagierte Bürger*innen in unserer Stadt ein Mutmacher in Sachen Umweltschutz und Klima sein. Man darf nicht aufgeben – selbst wenn fast alle Anträge der Grünen im Stadtrat in diesem Jahr wieder abgelehnt wurden. Die Grüne Fraktion wird mit derselben Hartnäckigkeit wie bisher z. B. die Förderung von Fair Trade Waren weiter voranbringen. Das wäre eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man Menschen, die für uns Genussmittel wie Kaffee oder Kakao anbauen, dafür so ent­lohnt, dass sie davon leben können.

Die Verringerung des Flächenverbrauchs ist heutzutage wichtiger denn je: Das Paradebei­spiel im Jahr 2023 war die Vorstellung der Stadtverwaltung zu Möglichkeiten einer B3 Stadtumfahrung für Emmendingen. Die Verwaltung hat inzwischen glaubhaft versichert, von ihrer Seite aus dieses Bauvorhaben nicht weiter verfolgen zu wollen. Die Bürger*innen sind dennoch stark verunsichert und nicht zufrieden – warum? Sie vermissen hierzu verbindliche Aussagen aller im Stadtrat vertretenen Fraktionen. Bei einigen ist ja bekannt, dass ihnen die artgerechte Haltung von Autos ein großes Anliegen ist. Für uns Grüne hat definitiv der Flächen-, Klima- und Umweltschutz Vorrang vor weiteren Straßenbauprojekten.

Ein weiteres Thema ist das Bauen.

Die Grüne Fraktion zieht eine Innenverdichtung, möglichst im Geschosswohnungsbau, weiteren Flächenversiegelungen für Neubebauung vor. Die von der Stadtverwaltung vorgelegten Pläne zeigten oft noch „das immer weiter so wie bisher“, – damit sich hier etwas ändert, müssen alle Verantwortlichen an einem Strang ziehen. Neben „Innenverdichtung“ und Wirtschaftlichkeit, spielt aus Sicht der Grünen noch ein weiterer Faktor eine wichtige Bedeutung: Bei bedeutenden Bauten im Stadtgebiet müssen die städtebaulichen Belange mehr Berücksichtigung finden, als es in 2023 der Fall war (Hotel am Bahnhof, Bürkle-Bleiche-Center). Egal, ob es Hotelbauten, Supermärkte oder andere Großprojekte sind – das sind DIE ins Auge fallenden Gebäude, die einer Stadt und ihren Bewohnern ein Gesicht und möglichst ein gutes Lebensgefühl geben sollen. Hier könnte die Stadtverwaltung ihren Aus­sagen zur Klimaanpassung durch Fassadenbegrünung, einem angemessenen Verhältnis von bebauter Fläche, Wohnraum und unversiegelter Grünfläche Taten folgen lassen. Die derzeitige Wohnbebauung am Mühlbachbogen ist ein gelungenes Beispiel, wie durch planerische Maßnahmen einer Aufheizung von Innenstädten vorgebeugt werden kann.

Erfreulich ist, dass im Anwesen Haus Leonhardt wieder mehr Leben eingekehrt ist und geplant ist, Teile davon wieder nutzbar zu machen. Wir Grüne wünschen uns, dass dort kulturelle Konzepte weiterentwickelt werden können. Dies würde nämlich sowohl dem Vermächtnis der früheren Besitzerin, Frau Leonhardt, – das Anwesen in erster Linie für Kunst und Kultur zu nutzen -, als auch der vielfältigen kulturellen Szene in Emmendingen gerecht werden.

Diese paar Sätze sollen an dieser Stelle nur ein kurzer Abriss aus den Themen des Stadtrats im Jahr 2023 sein. Trotz vieler kontroverser Diskussionen, wollen wir das Jahr mit Dank und Anerkennung beenden.

Unser Dank gilt daher der Verwaltungsspitze, allen Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung, allen Stadtratskolleg*innen für die konstruktive Zusammenarbeit. Wir wünschen uns, auch im nächsten Jahr weiter offen und sachlich miteinander zu diskutieren. Ein besonderer Dank an alle Bürger*innen, allen Gewerbetreibenden für ihr ehrenamtliches Engagement in zahlreichen Bereichen und für Beiträge, Anregungen und die intensive Mitwirkungenen an Veranstaltungen, bei denen es um die Zukunft unserer Stadt geht.

Das vorgelegte Zahlenwerk für den Haushalt 2024 ist, wie immer, unter der Berücksichti­gung der vielen Sachzwänge von außerhalb, fundiert erarbeitet.

Manche inhaltlichen Schwerpunkte hätte sich das eine oder andere Mitglied der Grünen Fraktion anders gewünscht.

Deshalb wird die Fraktion der Grünen uneinheitlich über den Haushaltsplan 2024 abstimmen.

Christian Schuldt, Fraktionssprecher

Eine Übersicht über die Fraktionsanträge zum Haushalt 2024 finden Sie hier.