Wahlen in der Türkei 2023

Am Montag, den 15.5., luden die Kreisverbände Freiburg und Emmendingen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu einer Wahlnachlese zusammen mit dem Türkeiexperten Prof. Dr. Burak Çopur ein. Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen in der Türkei am 14.5. sind sehr knapp. Keiner der Kandidaten konnte eine absolute Mehrheit erlangen, womit es am 28.5. zu einer Stichwahl zwischen Recep Tayyip Erdoğan und Kemal Kılıçdaroğlu kommen wird. Es ist zu erwarten, dass rechtsextreme Positionen großen Einfluss auf die Wahlentscheidung und die zukünftige Politik in der Türkei haben werden.

Die Wahlbeteiligung an den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 14. Mai war mit knapp 89 Prozent die höchste in der Geschichte der Türkei. Dies weist darauf hin, wie bedeutsam diese Wahl von den Türkinnen und Türken wahrgenommen wurde, aber auch wie erfolgreich die Parteien zum Gang zur Urne mobilisiert haben.

Der derzeitige Präsident Erdoğan kommt, entgegen den letzten Prognosen vor der Wahl, auf über 49 Prozent, verfehlt aber knapp die 50 Prozent. Der Oppositionsführer Kılıçdaroğlu erreicht rund 45 Prozent der Stimmen. Der ultrarechte Außenseiterkandidat Sinan Oğan kommt auf den dritten Platz und wird somit das Zünglein an der Waage für die entscheidende Stichwahl in knapp zwei Wochen.

Auf dieser Grundlage analysiert der Politikwissenschaftler Burak Çopur: „Der Gewinner der heutigen Wahl steht fest: Der türkische Nationalismus und politische Islam. Mit Sinan Oğan als Königsmacher bei den möglichen Stichwahlen werden beide Präsidentschaftskandidaten auf diese Rechtsextremisten zugehen müssen. Es wird zu einem Rechtsruck kommen.“

Der Politikwissenschaftler betont, dass bei diesem Wahlkampf nicht Wirtschaft ausschlaggebend war. Der Amtsinhaber Erdoğan wurde für die schwierige wirtschaftliche Lage nicht abgestraft. An diesem Wahlverhalten sei auch zu erkennen, dass viele Türkinnen und Türken ihrem Anführer treu bleiben: „Einmal Erdoğan-Anhänger, immer Erdoğan-Anhänger, und zwar bis zum Tod.

Eine Wiederwahl Erdogans scheint nach dieser ersten Runde sehr wahrscheinlich. Der Emmendinger Abgeordnete für die Grünen im Landtag, Alexander Schoch MdL, bittet alle in Baden-Württemberg ansässigen und in der Türkei wahlberechtigten Menschen, an der Wahl am 28. Mai teilzunehmen und sich für den demokratischen Veränderungsprozess einzusetzen. „Es ist eine Entscheidung zwischen Diktatur und Demokratie! Nur mit einer neuen politischen Führung wird es möglich sein, einen Dialog- und Friedensprozess mit den Kurden einzuleiten. Wenn die Türkei eine Kehrtwende zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vollzieht, sind auch wieder Gespräche über einen EU-Beitritt der Türkei als sehr sinnvoll anzusehen.

Hintergrund zur Person: Prof. Dr. Burak Çopur ist promovierter Politikwissenschaftler, Türkei-Experte und Integrations- und Migrationsforscher. Aktuell ist Burak Çopur Professor an der IU Internationale Hochschule (Standort Essen) für das Duale Studium der Sozialen Arbeit und Lehrbeauftragter am Institut für Turkistik der Universität Duisburg-Essen.