AfD will Studierendenschaften im Land durchleuchten 21. November 2017 Eine Landtagsanfrage der AfD-Landtagsfraktion will die Verfassten Studierendenschaften im Land bis auf das kleinste Detail durchleuchten. Dazu hat uns folgende Pressemitteilung erreicht, die wir gerne an dieser Stelle veröffentlichen: Gemeinsam mit dem bundesweiten studentischen Dachverband fzs sprechen sich Freiburg, Hohenheim und Heidelberg klar gegen diese Landtagsanfrage aus. Schon aus Gründen der Praktikabilität können und werden wir ihr nicht nachkommen. Die Pressemitteilung im Wortlaut: Am 15.11.2017 ging bei den Studierendenschaften Baden-Württemberg eine Anfrage des Wissenschaftsministeriums ein, welche durch einen Antrag (16/2967) der AfD-Landtagsfraktion initiiert wurde. Es wird darum gebeten Auskunft über ideell, finanziell oder andersartig unterstützte Gruppen, Initiativen und autonome Referate der „Verfassten Studentenschaften“ Baden-Württembergs seit 2012 zu geben. Es wird zudem explizit nach geförderten und noch zu fördernden Gruppen der Verfasste Studierendenschaft der Uni Heidelberg gefragt. Zudem erfragt die AfD-Landtagsfraktion, ob der Landesregierung einzelne Gruppen bekannt sind, welche unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen und von Verfassten Studierendenschaften unterstützt werden. „Die Beweggründe der Landtagsanfrage scheinen klar. Es wird systematisch versucht, die Verfassten Studierendenschaften, welche in ihrer politischen Arbeit ein Dorn im Auge sein dürfte, bis auf das kleinste Detail zu durchleuchten. Dass hierbei Informationen angefragt werden, welche frei zugänglich sind, macht das Anliegen nicht weniger brisant“, so Iris Kimizoglu, Vorständin der Verfassten Studierendenschaft der Uni Freiburg. Vor allem die explizite Abfrage der Unterstützung von autonomen Referaten wird als Angriff auf Minderheiten gesehen. Diese sind meist von marginalisierten und diskriminierten Gruppen erkämpfte und genutzte Schutzräume. Sie dienen als Rückzugsort und als Raum für ihren Kampf gegen Sexismus, Rassismus, Ausländer*innenfeindlichkeit, Trans*feindlichkeit, Behindertenfeindlichkeit und andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten. Setzt man die Fragen der AfD in den Kontext ihrer politischen Agenda, wird ihre Intention klar: „Die AfD greift damit eben jene diskriminierten Gruppen an und stellt ihre Relevanz in Frage. Weiter noch, durch die Konzentrierung der Daten rücken diese Gruppen auch in den Fokus von Gruppen, die der AfD nahestehen, wie Burschenschaften und Identitären. Diese sind nicht selten bereit, direkte Angriffe auf diese Schutzräume zu unternehmen, oft sogar unter Anwendung körperlicher Gewalt. Eine einfache Landtagsanfrage wird damit zu einer realen, physischen Bedrohung für Ausländer*innen, Frauen, LGBTIQ*, Menschen mit Behinderung oder People of Color“, äußert sich Konstantin Korn, Vorstand des freien Zusammenschlusses von Student*innenschaften, dazu. „Die lächerliche Art die Verfasste Studierendenschaft wissentlich und demonstrativ auf die ‚Studentenschaft‘ zu reduzieren, steht entgegen jeglicher Gleichberechtigung und berücksichtigt in keiner Weise irgendeinen Vielfaltsgedanke. Es zeigt aber den eigentlichen Zweck der Anfrage: die Klientelpolitik der AfD. Diese kommt offensichtlich nicht ohne die Gängelung von Minderheiten und Denunziation Studierender aus“, ergänzt Aaron Dangel, AStA-Gleichstellungsreferent. Phillip Stöcks, Vorstand der Studierendenvertretung der Uni Freiburg, führt fort: „Es ergibt sich für uns der Anschein, dass die AfD die hart erkämpfte studentische Selbstverwaltung nicht achtet und deren basis-demokratische Organisation nicht respektiert. Finanzielle Mittel oder ideelle Unterstützung werden in den Verfassten Studierendenschaften nicht willkürlich verausgabt oder ausgesprochen, sondern werden durch demokratisch legitimierte Gremien entschieden.“ Katharina Krahé, Vorständin der Studierendenvertretung der Uni Freiburg, erläutert: „Die Selbstverwaltung der Verfassten Studierendenschaften ist gesetzlich geschützt und gewünscht, und wenn versucht wird, diese mit derartigen Anfragen zu unterwandern, wird nicht in einem demokratischen Sinne gehandelt.“ „Grundsätzlich sehen wir in der detaillierten Auflistung davon, wer wie viele Biertischgarnituren oder ähnliche Inventargegenstände der Verfassten Studierendenschaft ausgeliehen hat, kein öffentliches Interesse. Wir können nicht erkennen, inwiefern die Zusammenstellung und Weitergabe dieser Informationen für das Tagesgeschäft des Wissenschaftsministeriums oder etwaiger Landtagsfraktionen notwendig ist“, so Christoph Zerfowski, AStA-Außenreferent der Universität Hohenheim. Abschließend sei noch bemerkt, dass eine „Verfasste Studentenschaft“, wie die AfD-Fraktion in Ihrer Anfrage schreibt, nach Landeshochschulgesetzt nicht existiert. Die selbstverwaltete Gliedkörperschaft der Universität, welche basis-demokratisch durch alle Studierenden einer Hochschule legitimiert wird, nennt sich „Verfasste Studierendenschaft“. Gefordert wird in der Anfrage die genaue Geldmenge der finanziellen bzw. die konkrete Art der ideellen bzw. andersartigen Unterstützung in tabellarischer Form. Weiterhin soll angegeben werden, in welchem Umfang die Verfassten Studierendenschaften seit 2012 Mittel aus der öffentlichen Hand erhalten haben. Dabei werden Umfang in Euro, Zweck, die fördernde Stelle und der Haushaltstitel verlangt. Die meisten Verfassten Studierendenschaften im Land stellen Ausgaben öffentlich auf ihrer Website zur Verfügung. Dort kann also tagesaktuell die jeweilige Verwendung von Mitteln nachverfolgt werden. Ebenso können vergangene Ausgaben recherchiert werden. Die vorliegende Landtagsanfrage der AfD-Landtagsfraktion fordert, diese Daten kompakt tabellarisch zusammen zu stellen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Verfassten Studierendenschaften zu großen Teilen durch ehrenamtliche Arbeit von Studierenden getragen werden, die, wie es der Name schon vermuten lässt, eben noch studieren und nicht hauptberuflich der Tätigkeit in der Verfassten Studierendenschaft nachgehen. Des Weiteren kann von einem*r ehrenamtlich engagierten Studierenden nicht verlangt werden, die Aufgaben eines*r Verwaltungsangestellten*in wahrzunehmen, was durch die Zusammenführung der angeforderten Datenmenge in diesem Umfang jedoch der Fall wäre. Hinzu kommt, dass den Verfassten Studierendenschaften für die Beantwortung dieser Anfrage eine Frist bis Montag den 20.11.2017 gestellt wurde, was konkret drei Werktage Zeit für die Erfüllung der Aufgabe bedeutet. Tatsächlich haben einige Studierendenschaften Verwaltungsangestellte, welche jedoch von Beiträgen der Studierenden finanziert werden. „Wir als Verfasste Studierendenschaft erheben keine Beiträge um damit Anfragen des Wissenschaftsministeriums zu bearbeiten, deren Beantwortung sich jede Person selbst durch die öffentlichen Protokolle erstellen kann“, äußert sich dazu Sophia Geiger, AStA-Außenreferentin der Universität Hohenheim. Durch die kurze Frist und die immense Menge an Daten ist den meisten Verfassten Studierendenschaften im Land die geforderte ausführliche Beantwortung der Anfrage daher schon auf einer organisatorischen Ebene unmöglich. Der bundesweite studentische Dachverband, die Studierendenvertretung der Uni Freiburg, der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität Hohenheim und das Außenreferat des Studierendenrats der Universität Heidelberg sprechen sich hiermit klar gegen diese Anfrage der Landtagsfraktion der AfD aus. Viele Verfasste Studierendenschaften im Land werden aus obigen Gründen auch einer ausführlichen Beantwortung dieser Anfrage aus Gründen der Praktikabilität nicht nachkommen können. * LGBTIQ steht für Lesbian Gay Bisexual Trans Intersex Queer (dt. lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender, intersexuelle und queere Menschen) Link zur Anfrage: AfD-Antrag als pdf