Gegen eine neue Abwrackprämie

Abwrackprämie - nicht mit uns!
Abwrackprämie - nicht mit uns!

Anstatt massiv in den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung zu investieren, mit einer nachhaltigen Mobilitätsprämie emissionsarme Antriebe und den ÖPNV zu unterstützen oder Pflege, Gastgewerbe und Dienstleistungen stärker zu fördern, wird momentan an einer erneuten Abwrackprämie gearbeitet, an einer Kaufprämie auch für Verbrennermotoren, die auch von Ministerpräsident Kretschmann mitgetragen und gefordert wird.
Wir Grüne im Kreis Emmendingen sehen darin den falschen Weg aus der Krise, und haben daher einen offenen Brief an Winfried Kretschmann geschrieben.                     Als pdf herunterladen.

Offener Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Winfried,

vor 40 Jahren warst du dabei, als die Grünen unter dem Slogan “ökologisch, sozial, basisdemokratisch und gewaltfrei” gegründet wurden. Viel hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert, Schwerpunkte haben sich verschoben, und nicht immer konnten wir all unsere Grünen Grundsätze verteidigen — aber dennoch sind dies die Werte, die die Grünen bis heute zusammenhalten, die sich im aktuellen Grundsatzprogramm widerspiegeln, und die im Laufe der Jahre auch für immer größere Teile der Bevölkerung wichtig wurden.

Nun sind wir durch die Corona-Krise an einem Punkt angelangt, der besondere Maßnahmen fordert — viele Unternehmen geraten in existentielle Schwierigkeiten, die Wirtschaft hat und erwartet enorme Umsatzeinbrüche, der gesellschaftliche Zusammenhalt wird durch die Corona-Maßnahmen gefährdet. Folglich ist es richtig, große Hilfspakete zu schnüren und z.B. die Schuldenbremse auszusetzen, um schnell und unbürokratisch kurzfristige Unterstützungsmaßnahmen finanzieren zu können.

Gleichwohl dürfen die Menschen im Land erwarten, dass jegliche Investitionen, die über kurzfristige Rettungsmaßnahmen hinausgehen, sowohl ökonomisch als auch ökologisch und sozial sinnvoll sind, nachhaltig und innovativ — um sowohl unsere Wirtschaft zukunftssicher aufzustellen, als auch um zu verhindern, dass sich die soziale Schere durch die Corona-Krise weiter öffnet. Das sollte der Maßstab des mittel- und langfristigen politischen Handelns sein, eines Handelns, das sich an urgrünen Werten und Vorstellungen orientiert.

Wir haben in den letzten Jahrzehnten alle gemeinsam dafür gekämpft, unsere Vorstellungen einer besseren, sozialeren, lebenswerteren Welt zu verwirklichen, und nie waren wir in einer besseren Position, dies wirkungsvoll voranbringen zu können; unzählige Wählerinnen und Wähler vertrauen uns, vertrauen auf unsere mutigen und progressiven Ideen, sind bereit, uns bei so großen Projekten wie der Energie- und der Mobilitätswende auch weiter zu unterstützen.

Aber: Wir können uns nicht auf dem Erreichten ausruhen, sondern müssen stetig dranbleiben und dürfen dabei unsere Grünen Werte nicht vergessen. Die zur Zeit von der Autoindustrie geforderte und nach aktuellem Stand von dir unterstützte Kaufprämie für PKW, in Anlehnung an die Umweltprämie aus dem Jahr 2009 im Volksmund “Abwrackprämie” genannt, würde unsere Bestrebungen der letzten Jahre im Bereich der Mobilitätswende konterkarieren, würde Zielsetzungen im Klimaschutz untergraben und damit letztendlich die Grünen nachhaltig unglaubwürdig werden lassen.

Sie würde nicht nur viele Wähler enttäuschen; auch weite Teile der Grünen Mitglieder können und wollen nicht akzeptieren:

  • dass eine wiederholte milliardenschwere Unterstützung der Automobilindustrie (über die schon geltende Kaufprämie für Elektroautos hinaus!) plötzlich wichtiger sein soll als alle vereinbarten Klimaziele, für die wir uns tagtäglich einsetzen, und für die wir zuletzt zu Hunderttausenden gemeinsam mit der Fridays-for-Future-Bewegung auf die Straße  gegangen sind
  • dass die Automobilindustrie nach wie vor mehr gilt als so viele andere Branchen, die eine Unterstützung viel nötiger hätten, die ihre Hausaufgaben in Sachen Klimaschutz bereits gemacht haben und die aktiv dazu beitragen könnten, die Klimaziele zu erreichen
  • dass die Automobilindustrie, die (mitsamt der vielen Zulieferbetriebe) als eine der größten Wirtschaftsbranchen durch bereits vorhandene Förderungen wie Kurzarbeitergeld oder firmenbezogene Corona-Hilfen ohnehin schon massiv unterstützt wird, darüber hinaus noch überproportionale staatliche Hilfen bekommen soll — und das ohne strikte Einschränkung auf emissionsfreie oder -arme Fahrzeuge wie z.B. in Frankreich
  • dass mit der Abwrackprämie über einen gerade mal ein paar Wochen alten Parteitagsbeschluss hinweggegangen werden soll
  • dass mit der Abwrackprämie ein über Jahre langsam aufgebautes Vertrauen in Grüne Werte und Grüne Politik kaputt gemacht wird.

Wie war das noch mit der Basisdemokratie? Wir sind uns sicher, dass eine Abwrackprämie vom Großteil der Grünen Mitglieder strikt abgelehnt wird, und wir wissen nicht, wie wir hier an der Basis unseren Mitglieder, unseren Wählerinnen und Wählern und auch unseren Kindern die geplante Kaufprämie erklären sollen, zumal die Erfahrung aus dem Jahr 2009 gezeigt hat, wie umweltschädlich und zugleich für die Wirtschaft unwirksam solch eine Prämie ist!

Daher möchten wir dich, lieber Winfried, dringend bitten, von einer Kaufprämie für Autos mit Verbrennermotoren Abstand zu nehmen. Mit einer allgemeinen nachhaltigen Mobilitätsprämie, mit der Förderung Selbstständiger und kleiner und mittlerer Unternehmen, mit Investitionen in Energieeffizienzprogramme, in den ÖPNV oder in den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung wäre nicht nur dem Klima mehr geholfen, auch die Wirtschaft hätte die Chance, sich neu und zukunftssicher zu entwickeln.

Mit herzlichen Grüßen aus Südbaden

  • Rüdiger Tonojan und Hanna Heicke für den Grünen Kreisverband Emmendingen
  • Luca Sophia Kahl und Thomas Reichenbach für die Grüne Jugend im Kreis Emmendingen
  • Barbara Schuler und Rüdiger Tonojan für die Grüne Fraktion im Kreistag Emmendingen
  • Silke Höfflin für die Grüne Fraktion im Gemeinderat Denzlingen
  • Ronald Linder für die Grüne Fraktion im Gemeinderat Endingen
  • Dieter Böcherer für die Grüne Fraktion im Gemeinderat Herbolzheim